Politische Bildung mit Kindern geht nicht? Doch! Das funktioniert!

Ein Zwischenfazit aus dem Projekt „Demokratie-Profis in Ausbildung! Politische Bildung mit Kindern“ *

Wird über Angebote politischer Bildung für Kinder gesprochen, werden häufig zahlreiche Vorbehalte genannt und von Vornherein gesagt: das geht nicht. Denn Kinder seien noch viel zu klein für Politik bzw. politische Themen für sie viel zu komplex und langweilig. Kindern wird unterstellt, dass Politik für sie zu uninteressant sei und auch keine Relevanz für sie habe.

Seit Anfang 2020 erproben und diskutieren wir in unserem Modellprojekt „Demokratie-Profis in Ausbildung! Politische Bildung mit Kindern“ unterschiedliche Formate und Möglichkeiten politischer Bildung mit Kindern im Alter zwischen 6 und 12 Jahren sowie die spezifischen Bedarfe der Fachkräfte des Feldes für diese Arbeit. Sobald dabei über die Machbarkeit politischer Bildung mit Kindern gesprochen wird, werden wir immer wieder mit diesen Vorannahmen konfrontiert. Aber unsere Erfahrungen zeigen: diese Vorbehalte treffen so nicht zu!

Foto: Andi Weiland | andiweiland.de

Zutreffend ist allerdings, dass Kinder bislang nur eine wenig beachtete Zielgruppe in der politischen Bildung sind. Das steht im Widerspruch zu dem, dass (politische) Bildung ein Kinderrecht ist und sie die persönliche Resilienz sowie unsere Demokratie stärkt. Daher ist die politische Bildung mit Kindern – ebenso wie mit allen anderen Altersgruppen – ein wichtiger Bestandteil unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens und sollte stärker gefördert und umgesetzt werden.

Schon jetzt gibt es in der Kinder- und Jugendarbeit und der außerschulischen politischen Bildung einige Träger, Verbände und Vereine, die teilweise schon seit langem und ganz selbstverständlich Formate der non-formalen politischen Bildung mit Kindern umsetzen. In Zusammenarbeit mit einigen AdB-Mitgliedseinrichtungen, die bereits erfolgreich Formate der politischen Bildung für Kinder umgesetzt haben, führten wir zu Beginn der fünfjährigen Projektlaufzeit (2020-2024) eine Bedarfserhebung durch, um konkrete Ansatzpunkte für unsere Arbeit zu definieren. Diese Erhebung hat gezeigt, dass Bildungsangebote mit Kindern offenbar einer anderen und intensiveren Vorbereitung bedürfen, als Angebote für ältere Zielgruppen. Zudem wurde sich eine Sammlung zielgruppenspezifischer Methoden(anpassungen) und Austauschformate gewünscht. Weitere Ergebnisse der Bedarfserhebung waren, dass partizipative Ansätze für die politische Bildungsarbeit mit Kindern wichtig seien und Kinder und ihre Bedürfnisse in der Konzeption und Umsetzung von Angeboten berücksichtigt werden sollten.

Unser Modellprojekt will diese politische Bildung mit Kindern in Qualität und Quantität stärken. Dafür entwickeln, erproben und evaluieren wir deutschlandweit an sieben verschiedenen Pilotstandorten mit lokalen Kooperationspartner*innen Formate und Methoden der politischen Bildung mit Kindern.

Im Rahmen des Modellprojekts konnte ausgehend von den Ergebnissen der Bedarfserhebung die (Weiter)Entwicklung und Erprobung von Formaten für Kinder finanziert, sowie wissenschaftlich durch Camino und vom Projektteam evaluiert werden. Dabei haben alle Gespräche, wissenschaftliche Befragungen mit den Pilotstandorten sowie die Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Modellprojekt deutlich gezeigt, dass politische Bildung mit Kindern nicht nur möglich ist, sondern auch eine Menge Spaß macht! Es stellt sich daher die Frage, warum es denn bislang nur so wenige Angebote für diese Zielgruppe gibt.

Kinder haben eine große Neugier und Begeisterungsfähigkeit für die großen politischen und gesellschaftlichen Themen, die sie ja auch selbst – und das nicht erst in ferner Zukunft – betreffen. Wie eingangs beschrieben, muss dennoch leider konstatiert werden, dass – auch wenn es in den letzten Jahren bundesweit mehr Aufmerksamkeit für diese Zielgruppe gab – die Angebote für Kinder nach wie vor eher unterrepräsentiert sind. Stattdessen finden sich die meisten Angebote im Bereich der Jugend- und Erwachsenenbildung. Dies hängt sicher auch damit zusammen, dass die verschiedenen Zielgruppen hinsichtlich finanzieller Ressourcen miteinander in Konkurrenz stehen. Desweiteren sind auch die Haltung, Motivation und Expertise der Fachkräfte zentrale Einflussfaktoren.

„Häufig werden Kinder, ihr Wissen, ihre Reflexionsfähigkeit, ihr Deutungsvermögen arg unterschätzt. Das gilt sowohl für Lehrkräfte, als auch für andere pädagogisch tätige Erwachsene.“ (Kollegin am Pilotstandort Freizeitwerk Welper e.V.)

Allen Vorannahmen zum Trotz konnten wir im Rahmen unseres Modellprojektes ein eindeutiges Zwischenfazit ziehen:

Politische Bildung mit Kindern im Grundschulalter ist eine Frage

  • der Rahmenbedingungen
  • der Zugänge
  • der Methoden sowie
  • der (pädagogischen) Kompetenzen und der Haltung der politischen Bildner*innen.

Es wurde aber auch ganz klar deutlich, dass es eben nicht die Kompetenzen der Zielgruppe sind, die der politischen Bildung mit Kindern im Weg stehen. Schließlich sind Kompetenzen abhängig von sozioökonomischen Faktoren und Bildungsgelegenheiten, NICHT aber vom Alter der Menschen. Ein eindeutiges Fazit unseres Modellprojektes ist daher, dass die Hindernisse für politische Bildung mit Kindern vorrangig in den Köpfen der Erwachsenen zu finden sind!

Unsere Kooperationspartner*innen und zahlreiche Gespräche mit Fachkräften auf unseren Fortbildungen und Veranstaltungen konnten diese Feststellung bestätigen. Viele politische Bildner*innen fühlen sich unsicher und trauen sich die Arbeit mit Kindern erstmal nicht zu. Einerseits, weil sie bisher nicht mit Kindern gearbeitet haben und andererseits, weil sie meinen, keine passenden Methoden zu kennen oder denken, es müssten andere sein, als bei Jugendlichen und Erwachsenen. Auch wissen sie oftmals nicht, wie die komplexen Themen politischer Bildung „runtergebrochen“ werden sollen.

Um Hilfestellungen zur Frage „Wie geht das denn?“ zu geben, haben wir im Rahmen des Modellprojektes zwei Fortbildungsreihen konzipiert, die den Fachkräften des Feldes, das Handwerkszeug für die politische Bildungsarbeit mit Kindern vermitteln sollen und zur Arbeit mit der Zielgruppe ermutigen sollen. Zusätzlich bieten auch unsere Fachtage die Möglichkeit des Austauschs.

Wir sind sicher, dass die Stärkung der politischen Bildung mit Kindern zu großen Teilen nur über die Stärkung und Weiterqualifizierung der Fachkräfte funktionieren kann und geschehen muss. Da unsere Projekterfahrungen aufzeigen, wie entscheidend eine adultismuskritische Haltung ist, haben wir diesen Aspekt nicht nur im Rahmen unserer Fortbildungsreihe und mit einer Fachtagung aufgegriffen.

Mit „HALT!ung – Erinnern. Diskutieren. Ändern“ stellen wir eine spielerische Methode für die Fachkräfte(weiter)bildung zur Verfügung. Diese lädt zum Austausch unter Kolleg*innen ein, regt eine vertiefte Auseinandersetzung mit den eigenen Kindheitserfahrungen an und ermöglicht damit einen Einstieg in das kritische Erwachsensein.

Im ersten Quartal 2024 veröffentlichen wir dieses Spiel, das von Dana Meyer, freie Referentin für politische Bildung, konzipiert und gemeinsam mit dem AdB weiterentwickelt, umgesetzt und gestaltet wurde.

In diesem Sinne schließen wir diesen ersten Teil unseres Zwischenfazits mit einem Zitat aus der Befragung der Pilotstandorte:

„Wir raten allen anderen: Einfach mal machen aber immer die eigene Haltung reflektieren und Kindern was zutrauen“ (Zitat aus der Befragung der Pilotstandorte 2022)

 

* Auf unserer Homepage veröffentlichen wir regelmäßig Artikel zu verschiedenen Aspekten der politischen Bildung mit Kindern im Alter von 6 bis 12 Jahren, die einen Überblick darüber geben, welche Erkenntnisse als Zwischenfazit aus dem Modellprojekt gezogen werden können. Zudem bietet unser Jahresbericht von 2022, veröffentlicht auf der AdB-Webseite, einen vertieften Einblick zu den bisherigen Projektaktivitäten und -erkenntnissen . Einen Einblick aus wissenschaftlicher Perspektive wird durch den Zwischenbericht von unserer wissenschaftlichen Begleitung  durch die Camino Werkstatt für Fortbildung, Praxisbegleitung und Forschung im sozialen Bereich gGmbH ermöglicht. Zudem wurden auf Basis der bisherigen Erkenntnisse zwei Fortbildungsreihen konzipiert und Materialien zu Hintergründen und Methoden für die politische Bildung mit Kindern erstellt, die sich zukünftig auf politischbilden.de abrufen lassen.